Was ist ein Korallenriff? Bunt, wild und voll üppigem Leben; so stellt man sich die tropischen Korallenriffe vor. Tatsächlich, in den Korallenriffen leben mehr als 5'000 verschiedene Fischarten, das ist ein Drittel aller bis heute bekannten Meeresfische. Dazu kommen mindestens 2'000 Muschel- und etwa 1'200 Stachelhäuter-Arten – da gehören die Seeigel, Seegurken und Seesterne dazu. Besonders wichtig sind die mindestens 1’300 Arten von Steinkorallen, die den Hauptteil der Struktur eines Riffes aufbauen. Es sind allerdings nicht bloss die Korallen, die die Riffe bilden. Auch manche Muschelarten bauen mit am Riff, ebenso Kalkröhrenwürmer, Kalk inkrustierende Algen oder Schwämme.
Fahnenbarsche im Roten Meer
Alle diejenigen Tiere und Pflanzen, die Kalk für ihr Skelett produzieren, mischen mit am Korallenriff. Das sind die Architekten der steinernen Riffstrukturen. Kalk oder Kalziumkarbonat ist der Hauptbestandteil. Die riffbildenden Meeresorganismen produzieren den Kalk aus im Meerwasser gelösten Kohlenstoffquellen. Kalk hat viele Namen, manchmal ist das etwas verwirrend: Kalkstein, Kreide, Marmor, Kalzit oder Aragonit. Alles ist chemisch fast dasselbe, sie unterscheiden sich jeweils durch verschiedene Kristallstrukturen.
Bei Wassertemperaturen unter 20 °C mögen sie gar nicht mehr leben
Insgesamt kennt man heute etwa 60'000 Organismen, die in den Korallenriffgemeinschaften leben. Eine unglaubliche Artenvielfalt! Vermutlich sind es allerdings weit mehr. Wir gehen davon aus, dass mehr als eine Million Arten in den Korallenriffen leben, die meisten sind aber entweder noch gar nicht entdeckt oder wenn, dann noch nicht wissenschaftlich beschrieben. Es wartet auf die Meeresbiologen also viel Arbeit.
Korallenstöcke sind der perfekte Unterschlupf
Die Korallenriffe der tropischen Zonen machen nur 0,1 Prozent der Ozeanoberfläche aus. Die Gesamtfläche der heutigen Korallenriffe ist mit etwa 600’000 km² fünfzehnmal so gross wie die Schweiz. Das tönt nach wenig. Die verwinkelte Architektur der Riffe macht jedoch aus der bescheidenen Grundfläche ein gigantisches, ultrastrukturiertes Biotop für alle nur erdenklichen Lebensformen. Diese «innere Form» der Riffe ist auch einer der Gründe, wieso ihre Artenvielfalt so extrem ist. Es bieten sich für beliebig viele Tiere und Pflanzen unendlich viele Mikrobiotope an, die bevölkert werden können.
Meerbarben ziehen am Aussenriff entlang
Schaut man sich eine Weltkarte der Korallenriffe an, kommt eine seltsame Verteilung zum Vorschein: 92% der Riffe wachsen im Indopazifik, nur 8% im Atlantik. Davon alle in der Karibik. Das liegt nicht an der Schönheit der Karibischen Inselwelt, sondern an der höchst kapriziösen Natur der Korallen: Bei Wassertemperaturen unter 20 °C mögen sie schon gar nicht mehr leben, seltene Unterschreitungen scheinen ihnen immerhin möglich. Erst wenn die Durchschnittstemperaturen über 22°C liegen, wird’s den Korallen wohl. Aber allzu warm solls dann auch nicht sein. Wird ein Riff längere Zeit wärmer als 30°C, treten oft sogenannte Korallenbleichen und andere Krankheiten auf. So kommts, dass Korallenriffe ungefähr zwischen 30° nördlicher und 30° südlicher Breite wachsen. Aber auch hier gibt es Ausnahmen: An der Westküste Afrikas fliesst im Süden der kalte Benguela-Strom der Küste entlang und lässt – trotz Lage im Tropengürtel – kein Korallenwachstum zu. Genau gleich ist das an der Westküste Südamerikas, dort ist der Humboldtstrom der Spielverderber oder an der Westküste Australiens, wo der Westaustralienstrom das Korallenwachstum hindert. Als Koralle hasst man eben Kälte. Die Steinkorallen brauchen ausserdem einen festen Untergrund im Flachwasser. Meist ist dies ein Küstenstreifen oder ein unterseeischer Vulkan, der bis nah an den Wasserspiegel heran reicht. Je klarer das Wasser, desto mehr Licht können die Korallen verarbeiten und desto schneller wachsen sie. Aber dazu mehr in der nächsten Folge.
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