Wieso Wasser alles andere als normal ist, und welche Superkräfte des Wassers für uns von grosser Bedeutung sind.
Wasser ist dermassen allgegenwärtig, dass es uns gar nicht besonders auffällt. Es regnet oder schneit, ein Fluss zieht ruhig vorüber. Wir trinken ein Glas… Eine Tomate besteht bis zu 98% aus Wasser, wir zu 70%. Je nach Alter schwankt das. Auch bei der Tomate.
97% des Wassers auf der Erde füllen als salziges Meerwasser die Ozeanbecken, lediglich 3% sind Süsswasser, wovon wiederum zwei Drittel als Eis in Gebirgen und Polkappen gebunden sind und ein Drittel unsichtbar im Untergrund steckt. Nur 0.001% des irdischen Wassers gibt’s in der Atmosphäre, als Wolke schwebend, als Regen oder als unsichtbarer Dampf. Oberflächenwasser, das für uns als Trink- und Gebrauchswasser zur Ver-fügung stehen würde, macht nur 0.013% des Wassers aus. Ganz schön wenig, aufs Ganze gerechnet. Da muss man sorgfältig damit umgehen…
Nicht nur auf der Erdoberfläche gibt es Wasser, auch tief im Erdinneren stecken gigantische Wassermassen; jedenfalls hat man vor rund zehn Jahren in rund 660 Kilometern Tiefe mehr Wasser gefunden als in allen Ozeanen zusammen vorkommt! Wer jetzt meint, man könnte das Tiefenwasser anbohren und nutzen, irrt sich: Das tiefste menschengemachte Loch in die Erdkruste reichte bloss zehn Kilometer hinunter. Danach waren Reibung und Hitze zu gross.
Wo das Wasser der Erde herkommt, ist nicht vollständig geklärt. Es gibt aber zwei ziemlich gesicherte Theorien.
Im Meer ist ziemlich viel Wasser vorhanden - mit enormen Energien.
Aber zunächst interessiert uns, wieviel Wasser überhaupt auf der Erde vorhanden ist. Allein in den Ozeanen befinden sich 1.5 Milliarden Kubikkilometer der salzigen Substanz. Ein Kubikkilometer enthält eine Billion Liter; da stehen zwölf Nullen dahinter. Siebzig Prozent der Erde sind mit Meeren bedeckt, und die sind im Schnitt vier Kilometer tief. Würde man das Wasser der Erde in Würfel der Kantenlänge von einem Kilometer aufteilen und nachher stapeln, erhielten wir zehn Türme bis zur Sonne!
Ein Teil unseres Wassers kam wohl bereits in der frühen Geschichte der Erde aus dem Erdinneren an die Oberfläche. Nicht geklärt ist, wie viel Wasser die Erde bereits bei ihrer Entstehung enthielt. Flüssiges Magma enthält einen gewissen Anteil an Wasser. Bei Vulkanausbrüchen kann es ausdampfen und in die Atmosphäre gelangen. Allerdings scheint das Wasser bei heutigen Vulkanausbrüchen meist aus Grundwasserreservoiren zu stammen, die von Magma verdampft wurden. Mit der langsamen Abkühlung der jungen Erde bildete sich eine feste Erdkruste; das Wasser kondensierte und sammelte sich in ersten Ozeanen.
Es dürfte jedoch viel mehr Wasser durch Kometen oder wasserreiche Asteroiden zu uns gelangt sein. Man mag sich kaum vorstellen, wie viele Einschläge von Himmelskörpern nötig waren, um die Ozeane zu füllen! Messungen des Wasserstoffisotopen-Verhältnisses von Deuterium und Protium deuten jedenfalls eindeutig auf Asteroiden hin.
Ein Teil unseres Wassers kam wohl bereits in der frühen Geschichte der Erde aus dem Erdinneren.
Wasser ist ein Stoff der Sonderklasse. Es ist ein Wundermolekül. Ich will nicht esoterisch werden, ich bin Wissenschafter. Aber ich muss zugeben, Wasser hätte das Zeug zum Eso-Star. Man kann es tatsächlich mit Geheimnissen umhüllen… wenn man denn will. Wasser hat so viele abgehobene Eigenschaften, dass es nicht verwundert, wenn man ihm allerlei Hokuspokus andichtet. Allerdings sind esoterische Erklärungen nicht nötig, um dem Wasser auf die Schliche zu kommen. Die Physik und die Chemie schaffen das geradliniger und eindeutiger.
Also mach ich’s kurz: Die im Internet oder in Buchform immer wieder auftauchenden übersinnlichen Kräfte des Wassers konnten wissenschaftlich nie auch nur ansatzweise beschrieben, nachgewiesen oder befriedigend erklärt werden. Schwammig formulierte «energetische Schwingungen» etwa oder die «Levitation», das ist ein postuliertes, sehr geheimnisvolles Erinnerungsvermögen des Wassers, mysteriöse «umstrukturierte Cluster» und «spezielle Energien» etc… gehören in den Bereich der Esoterik und des Aberglaubens. Auch, dass Wasserkristalle uns etwas mitteilen wollen, wie manche Autoren behaupten... Wozu um Himmels Willen sollten sie dies tun?
Bleiben wir also bei den Fakten, und die haben’s eh in sich…
Wasser ist der einzige bekannte Stoff, der natürlicherweise und in grösseren Mengen auf der Erde in allen drei Aggregatszuständen - fest-flüssig-gasförmig - vorkommt. Sogar ohne unser Zutun. Eis an den Polkappen und den Bergen, Wasser in Flüssen und Meeren, Dampf in der Atmosphäre.
Meist ist Wasser eine Flüssigkeit. Das ist unser Glück! Wo wären wir denn, wenn Wasser einen viel tieferen Siedepunkt hätte oder wenn es bis 80°C als Eis vorläge? Ein vielfältiges Leben auf der Erde wäre kaum vorstellbar.
Wasser siedet also zum Glück bei 100 °C und Eis schmilzt bei 0 °C. Wasser erstarrt während der Abkühlung bei 0 °C; es gibt aber Ausnahmen. Kühlt man sauberes Wasser behutsam und ohne Bewegung, kann es auch unter 0 °C noch als Flüssigkeit vorliegen. Es handelt sich dann um «unterkühltes Wasser». Solch hochreines Wasser kann theoretisch bis zu −48 °C flüssig bleiben. Aber nur theoretisch: Die kleinste Verunreinigung oder Erschütterung reicht aus, die Eisbildung schlagartig auszulösen.
Alles hat mit dem besonderen Aufbau des Wassermoleküls, dessen Geometrie und den über Wasserstoffbrücken vernetzte «Molekülklumpen», den Clustern, zu tun. Diese zusätzlichen Bindungen gibt es bei anderen einfachen Molekülen nicht in dieser Form. Die Wasserstoffbrücken müssen aber bei jedem Phasenübergang überwunden werden. Und genau dies ist der Knüller!
Wenn Wasser gefriert, gibt es Energie, die sogenannte Kristallisationswärme, ab. Gefriert 1 Liter Wasser, setzt es die gleiche Energiemenge frei, die man benötigt, um 1 Liter Wasser von 0 Grad auf 80 Grad Celsius zu erhitzen! Analog läufts bei der Verdampfung von Wasser ab: Dazu wird viel Energie verbraucht, was einen kühlenden Effekt hat. Ein Baum kann so mehrere Dutzend Kilowatt Kühlleistung entfalten!
Die aktuelle Definition der Celsius-Skala stimmt nicht mehr ganz mit der früheren überein, wo Schmelz- und Siedepunkt von Wasser genau 0 °C und 100 °C waren. Heute liegt der Schmelzpunkt bei 0,002519 °C und der Siedepunkt bei 99,9839 °C. Das Spaghetti-Wasser kocht also etwas eher. Mir ist das egal.
Ein Mordsspektakel:
Einfach eine Halbliter-Petflasche voll Wasser für eineinhalb Stunden in den Tiefkühler legen. Danach sorgfältig herausnehmen. Das Wasser ist dann mehrere Minusgrade kalt, aber noch immer flüssig. Dann einmal auf den Tisch schlagen und - zack - gefriert die ganze Flasche innert Sekunden!
Schwerelos treiben Wolken über dem Boden. Auch die düsteren Gewitterwolken scheinen federleicht zu sein. Doch Wolken wiegen schwer. Selbst eine hübsche Schönwetterwolke kann tausend Tonnen – das ist das Gewicht von fünf grossen Blauwalen – auf die Waage bringen. Und schweben tut sie doch!
Eine Cumulus-wolke enthält lediglich ein Gramm Wasser pro Kubikmeter. Wenn die Wolke einen Kilometer lang, breit und hoch ist, dann hat sie ein Volumen von einer Milliarde Kubikmeter und wiegt dementsprechend tausend Tonnen. In den Tropen können die Wolken noch viel mehr Wasser speichern, weil dort die Luft viel wärmer. Sie können bis zu sieben Gramm Wasser pro Kubikmeter enthalten. Entsprechend kann es später auch heftiger regnen. Wir kennen ja die enormen Kräfte tropischer Wirbel- und Gewitterstürme.
Wasser ist «abnormal». Es hat eine Dichteanomalie. «Normale» Flüssigkeiten werden beim Übergang von flüssig zu fest dichter, also schwerer pro Volumeneinheit. Nicht so Wasser: Es hat bei 4° Celsius seine höchste Dichte. Eis schwimmt auf 4-grädigem Wasser, kälteres und wärmeres Wasser auch. Ein Liter viergrädiges Wasser wiegt ein Kilo, seine Dichte ist also 1,0 g/ml. Eis hat eine geringere Dichte von 0,92 g/ml. Deshalb schwimmen die Eisberge auch so gut.
Und stehende Süssgewässer frieren deshalb von oben nach unten zu. Wenn das Wasser an der Oberfläche vier Grad kalt wird, sinkt es auf den Gewässergrund. Dort bleibt es bis im Frühling flüssig. So überleben Frösche und Molche auch den kältesten Winter am Grund ihres Teiches. Im Frühjahr und Herbst wälzt sich ein See jeweils automatisch um.
Wasser besteht aus je zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom. Das Wassermolekül ist gewinkelt. Der Winkel, zwischen den beiden Sauerstoff-Wasserstoff-Bindungen beträgt 104,45°. Er weicht also vom idealen Tetraederwinkel von 109,47° ab. Dies wegen des Platzbedarfs der freien Elektronenpaare im Molekül.
Dipolare Wassermoleküle und ihre Wasserstoffbrücken. Bild Wikipedia.
Sauerstoff hat eine höhere Elektronegativität als Wasserstoff. Auf der Seite des Sauerstoffs ist das Molekül folglich negativ und auf der Seite der beiden Wasserstoffatome positiv geladen. Es resultiert ein sogenanntes Dipol, was bedeutet, dass der Schwerpunkt der Ladungen nicht im Zentrum des Moleküls liegt.
Dieser Dipolcharakter der Wassermoleküle wirkt sich auf die Wassereigenschaften gehörig aus: Die Moleküle zeigen starke Anziehungskräfte und neigen dazu, sich durch Wasserstoffbrückenbindung zu Clustern zusammenzulagern. Die Wasserstoffbrücken bestehen nur für Bruchteile von Sekunden, wonach sich die Moleküle wieder mit anderen Wassermolekülen verketten. Diese Vorgänge erzeugen die besonderen Eigenschaften des Wassers.
Das Wassermolekül ist asymmetrisch und weist daher auf seinen beiden Seiten unterschiedliche Ladungen auf (links). Man spricht von einem Dipol. Dadurch verhält es sich anders als andere Substanzen. Eis ist weniger dicht (oben) und schwimmt an der Oberfläche. 4 Grad kaltes Süsssswasser ist am dichtesten (unten) und sinkt in die Tiefe. Warmes Wasser schichtet sich darüber ein (Mitte).
Wasser hat die höchste Wärmekapazität aller festen und flüssigen Stoffe – mit der Ausnahme von Ammoniak. Wasser kann also sehr viel Wärme aufnehmen, bevor es sich in Dampf auflöst. Die Bedeutung der enormen Wärmekapazität erleben wir täglich: Der Golfstrom bringt jederzeit massenhaft Wärme aus den Tropen bis nach Europa. Seine Wärmeenergie entspricht derjenigen von einer Million mittelgrossen Kernkraftwerken!
Meerwasser ist salzig. Man sollte es jedoch nicht einfach als Salzwasser bezeichnen. Das wäre nicht gerecht. Salzwasser braucht man zur Zubereitung von Pasta. Oder zum Auftauen zugefrorener Strassen. Das jedoch, was die Meere so schön salzig macht, ist nicht einfach Kochsalz, sondern eine Mischung aus unzähligen verschiedenen Salzen in einem ganz bestimmten Mengenverhältnis. Wer Meerwasser künstlich herstellen möchte, beispielsweise für ein Meeresaquarium, der benötigt etwa 70 verschiedene chemische Elemente. Die häufigsten sind Natrium, Chlor, Magnesium und Schwefel, es kommen aber auch Schwermetalle wie Eisen, Blei oder Zink natürlicherweise im Meerwasser vor. Sogar Uran und Gold hats drin.
Das Salz des Meeres wird mancherorts aufwändig in Salinen gewonnen.
Bild: Lukas Roth, Riehen
Durchschnittlich hats in jedem Liter Meerwasser etwa 35 Gramm lösliche Salze und Spurenelemente. In einzelnen Meeresregionen variiert der Salzgehalt jedoch erheblich: Die Ostsee hat einen mittleren Salzgehalt von 0,2 bis 2 % (2-20 g/l). Einige Binnenseen haben einen höheren Salzgehalt. So hat das Tote Meer – ein Binnensee ohne Abfluss – einen Salzgehalt von 28 % (280 g/l).
Das Salz, das im Meerwasser gelöst ist senkt den Gefrierpunkt auf −1,9 °C ab. Wenn das Eis entsteht, wird das Salz aber nicht in das Kristallgitter des Eises eingebaut, sondern es bleibt zum Teil im umgebenden Wasser, zum Teil bildet es Soletaschen im Eis. Diese Soletaschen in mehrjährigen, dicken Packeisschollen wandern im Eis nach unten. So süsst das Meereis in den oberen Bereichen aus und weist nur noch einen geringen Salzgehalt auf.
Doch was hat das zur Folge? Unter einem gefrierenden Meeresgebiet sammeln sich nun riesige Mengen von schwerem, salzhaltigen Wasser an und stürzen in die Tiefe. Wo Wasser in die Tiefe abtaucht, muss anderes leichteres Wasser nachfliessen. Es entsteht eine Meeresströmung. Das nennt man auch thermohaline Zirkulation. Und thermohaline Zirkulationen treiben die Strömungen der Weltmeere an, wenigstens zu grossen Teilen.
Wenn die Meeresoberfläche gefriert, blockiert das Meereis den Austausch von Wärme zwischen Ozean und Atmosphäre. Eine dünne Meereisdecke genügt, um den Wärmefluss fast vollständig zu unterbinden. Das Meerwasser unter dem Eis bleibt also einigermassen warm.
Von dem eisfreien Ozean wird ein Grossteil der Wärmestrahlung absorbiert, über dem Meereis hingegen reflektiert. Diese sich selbst verstärkende Rückkopplung beeinflusst die Strahlungsbilanz der Polarregionen und der Erde insgesamt ganz enorm.
Im Meer sind vermutlich etwa 10’000 bis 20'000 Tonnen Gold gelöst. Das tönt nach einem grossen Schatz. In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es deshalb Bestrebungen, das Gold im Meerwasser zu bergen. Das ist allerdings deutlich gescheitert, denn die Goldkonzentration im Meerwasser hat sich als dermassen gering erwiesen, dass sich ein «Abbau» nicht lohnte.
Trotzdem: In einem einzigen Tropfen Meerwasser befinden sich mehr als 2 Millionen Goldatome.
Die Volumenänderung beim Gefrieren und beim Wiederauftauen hat gehöriges Potential. Die Sprengwirkung ist bei der Verwitterung von Gestein einer der wichtigsten Prozesse.
Wasser dehnt sich beim Gefrieren um 9% aus. Deshalb explodiert die Champagnerflasche im Gefrierfach des Kühlschranks!
Der Effekt spielt auch in der Natur eine grosse Rolle. Als Sonderform der Temperaturverwitterung gilt die Frost(sprengungs)verwitterung. Hier wird die Erosion von Gesteinen durch das häufige Auftauen und Wiedergefrieren des sich in den Hohlräumen des Gesteins befindlichen Wassers verursacht. Dadurch wird der Zerfall des Gesteins stark beschleunigt. In Gebieten mit tageszeitlichem Frostwechsel, beispielsweise in den subpolaren Gebieten der Erde und in den Hochgebirgen, ist diese Verwitterungsform für die Gestaltung des Reliefs besonders bedeutsam.
Die Ausdehnung von Wasser bei Abkühlung und insbesondere bei Eisbildung muss auch im Alltag beachtet werden. Die Asphaltschäden, die nach dem Winter sichtbar werden und jährlich Millionen kosten, gehen ebenfalls auf diese Frostverwitterung zurück. Frieren z. B. frei liegende Wasserrohre oder Pumpen ein und befindet sich Wasser in ihnen, so dehnt sich dieses Wasser bei der Bildung von Eis aus und kann die Rohre bzw. Pumpen regelrecht auseinandersprengen. Deshalb ist auch erforderlich, dem Kühlwasser von Pkw Frostschutzmittel beizugeben, weil ansonsten die Möglichkeit besteht, dass die Kühlflüssigkeit einfriert und den Kühler sprengt.
Selbstorganisation ist das Zauberwort. Wassermoleküle binden sich automatisch so aneinander, dass sie möglichst energiearm sind. Sie sind echt sparsam, könnte man meinen. Die einfachste Gitterstruktur für eine Gruppe von Wassermolekülen ist ein Sechseck. Es braucht übrigens mindestens 275 Wassermoleküle, um einen winzigen Wasserkristall zu formen. Und der Vorgang ist so kompliziert, dass ich ihn hier nicht beschreiben kann. Was aber nach dem Entstehen des ersten Minikristalls passiert, ist anschaulich zu erklären: Freie Wassermoleküle docken am Kristall an, zunächst an allen beliebigen Orten mit derselben Wahrscheinlichkeit. Je grösser der Kristall wird, desto rauer wird er. An rauen Stellen mit Nischen und Kerben «siedeln» mehr Wassermoleküle an als an glatten, weil dort die Anzahl von benachbarten Molekülen grösser und damit die Anziehungskraft stärker ist. Dies hat zur Folge, dass nun bevorzugt glatte Flächen entstehen, denn Leerplätze werden schnell aufgefüllt. Es bilden sich sechseckige Platten und Säulen.
Ukichiro Nakaya, beschrieb in den 1930er Jahren in Japan alle möglichen Schneeflockentypen. Er bemerkte, dass die «Bauweise» der Schneekristalle von der Temperatur und der Luftfeuchte abhängt: Bei -2° C entste-hen dünne plattenartige Kristalle, bei -5° C dünne Nadeln, bei -15° C wieder vorwiegend Platten und unter-halb von -25° C bildet sich eine Mischung aus dicken Platten und säulenartigen Formen. Die Wasserdampf-konzentration in der umgebenden Luft bestimmt den Detailreichtum der Kristallform. Bei hoher Feuchte entwickeln sich hülsenartige Kristalle, dünne Eisnadeln oder plattenförmige Kristalle. Verblüffend daran ist, dass nur diese zu den hübschen Schneeflocken heranwachsen können. Niemand weiss bisher, warum das so ist. Man kann also noch forschen!
Damit ein Eiskristall zur Schneeflocke wird, müssen viele Bedingungen erfüllt sein. Vorbeifliegende Wassermoleküle bleiben vor allem an den sechs Ecken des Kristalls hängen. Nun spriessen dort bevorzugt «Äste». Der Vorgang beschleunigt sich selbst, da die Äste immer mehr Moleküle einfangen. An allen sechs Ästen sind die Bedingungen praktisch identisch, weshalb die entstehende Schneeflocke fast perfekt symmetrisch ist. Fertig ist das Wunder der Schneeflocke!
In der Schule habe ich gelernt, dass wir mit Skiern oder Schlittschuhen gehörig Druck auf den eisigen Unter-grund ausüben. In der Folge bildet sich eine feine Wasserschicht, auf der wir gleiten können. Genau, dies ist eine Binsenwahrheit! Leider stimmt sie nicht.
Schlittschuhe funktionieren nicht auf einer Glasscheibe. Auch nicht auf einer nassen Glasscheibe. Aber Rut-schigkeit scheint trotzdem etwas mit Wasser zu tun zu haben, denn auf einem nassen Fliesenboden kann man leicht ausrutschen, auf einem trockenen nicht. Wenn wir Druck auf Eis ausüben, dann schmilzt praktisch nichts. Die Lösung ist viel einfacher: Das Eis unter den Kufen ist bereits geschmolzen, bevor wir Druck ausüben!
Wenn man zwei Eiswürfel aneinander legt, dann gefrieren sie zusammen. Auch wenn kein Druck ausgeübt wird. Warum? Weil sie von einer feinen Wasserschicht umgeben sind, die wir von blossem Auge nicht sehen können.
Stellen wir uns einen einzelnen Eiswürfel vor. In seinem Inneren sind alle Moleküle gitterförmig angeordnet und erstarrt. Jedes Molekül ist auf allen Seiten von anderen Molekülen umgeben. Am Rand des Eiswürfel ist das anders. Da sind die Moleküle nur auf fünf Seiten umlagert, die sechste Seite ist frei. Das bedeutet, dass dort geringere molekulare Bindungen herrschen und das Kristallgitter aufgeweicht ist. An der Grenzschicht gilt deshalb ein viel tieferer Gefrierpunkt als im Inneren. Da bleibt Wasser bis -33°C flüssig! Darunter gefriert es dann aber: Auf Polarexpeditionen hatte man bereits anfangs des 20. Jahrhunderts festgestellt, dass bei grosser Kälte der Schnee «besonders trocken» sei.
Das Phänomen der Oberflächenschmelzen kommt nicht nur bei Eis vor, sondern auch bei anderen Stoffen. Blei überzieht sich bereits ab einer Temperatur von 40 Grad unterhalb seines Schmelzpunkts mit einem flüssigen Film. Weil alltägliche Materialien meist hohe Schmelzpunkte haben (Blei: 327,5 Grad Celsius), weiss das aber kaum jemand.
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