Fast alle Meerestiere und auch die Meerespflanzen verbringen mindestens einen Teil ihres Lebens als Plankton-Lebewesen. Was bedeutet das, und was ist die Bedeutung von Plankton im Meer?
Der Ausdruck «Plankton» stammt aus dem Griechischen (πλαγκτόν) und bedeutet soviel wie «das Umherirrende» oder «das Umhergetriebene». Plankton umfasst also alle - meist kleinen bis kleinsten, aber auch grosse - treibenden und/oder schwebenden Lebewesen (sie heissen auch Plankter oder Planktonten), die nicht oder nur beschränkt zu eigenständigen, horizontalen Fortbewegungen befähigt sind; meist können diese aber ihren Aufenthalt in der Vertikalen bestimmen. Sie machen häufig tageszeitliche Wanderungen, zum Beispiel verbringen viele Krebslarven den Tag in der Dunkelheit der Tiefe und wandern nachts in Richtung Wasseroberfläche, um dort zu fressen.
Plankton-Lebewesen treiben in den Weiten des Meeres. Dort gibt es in der Regel keine räumlichen Beschränkungen, keine Felsen, keine Wände. Es ist eine riesige, unstrukturierte blaue Welt aus Wasser. Den freien Wasserkörper im Ozean nennt man auch Pelagial, das offene Meer. Es hat keine äusseren Grenzen, ausser einen Boden - den Meeresgrund - und eine Decke - den Meeresspiegel. Darin lässt es sich gut umhertreiben...
Es gibt auch riesiges Zooplankton im Meer, wie die Portugiesische Galeere (Physalia physalis), eine Staatsqualle mit mehr als 20 Metern Länge oder die kettenbildenden Salpen (Salpida) und Feuerwalzen (Pyrosoma), beides weitläufig mit uns verwandte Manteltiere. Die Grösse eines Meerestieres spielt also keine Rolle, ob es als «Plankton» bezeichnet wird. Beim Phytoplankton, das aus pflanzlichen Lebewesen besteht, ist das genauso, es gibt mikroskopisch kleine und mehrere Meter lange Meerespflanzen.
Dactylometra quinquecirrha, eine Schirmqualle aus dem Pazifik
Das Meer ist ein riesiges Gewässer. Es steht nicht still, sondern wird von Strömungen durchzogen und umgewälzt. Die Meeresströmungen transportieren nicht nur Wasser oder Energie in die entlegensten Winkel der Ozeane, sondern auch Milliarden von Lebewesen.
In einem Liter Meerwasser kann man rund 20'000 verschiedene Mikroorganismen ausmachen!
Sie machen sich die Meeresströmungen zu Nutze, um neue Siedlungsgebiete zu erreichen oder um ihrer Nahrung zu folgen.
Die meisten Meereslebewesen verbringen ihr Leben auf dem Meeresboden, sei es an Küsten, im Flachwasser, in Korallenriffen, an Küsten oder in der Tiefsee. Wer festgewachsen ist, kann sich aber nur schlecht weiterverbreiten. Das Prinzip des Planktons bringt hier Abhilfe: Festsitzende Tiere und Pflanzen des Meeres stossen ihre Geschlechtsprodukte - Eier, Spermien, Gameten aller Art oder auch junge Larven direkt ins Meer aus. Das Meer transportiert sie ab. Auf dem Weg entwickeln sich die Larven als treibende Individuen. Die Strömung bringt sie an ferne Orte. Ob diese als «Wohnort» für den Rest des Lebens geeignet sind, ist jeweils Zufall. Die Sterberate der Planktonten ist enorm. Die meisten werden von anderen Planktonten gefressen oder «landen» an der falschen Stelle.
Eine Brutpflege ist im Meer rar, nur die schiere Menge an Nachkommen sichert die Bestände. So gibt ein Mondfischweibchen bis zu 300 Millionen Eier pro Laichgang ab! Da ist ein Steinbutt mit rund 500'000 Eiern schon schön bescheiden. Von dieser Menge an Eiern müssen nur zwei bis zur Geschlechtsreife überleben - eines, um die Mutter und eines um den Vater zu ersetzen...
Planktonische Larve eines Mondfisches Mola mola. Bild: Virginia Institute of Marine Science
Mondfisch Mola mola
Die Besiedelung der Gezeitenzone geschieht nicht, indem erwachsene Tiere an einen Strand wandern, sondern über deren juvenile Larven, die als Plankton mit den Meeresströmungen herangetragen werden. Seepocke, Miesmuschel, Strandkrabbe, Auster, Wattwurm, Schleimfisch oder Strandgrundel; sie alle durchlaufen als "Kinder" ein Larvenstadium als Planktonten und "stranden" früher oder später in einer geeigneten Gezeitenzone. Wenn sie vorher nicht schon gefressen wurden.
Aber es gibt Ausnahmen: Die Pferdeaktinie Actinia equina produziert fixfertige Jungtiere (kein Larvenstadium), der Polsterstern Asterina gibbosa brütet die Jungen unter Steinen des Litorals aus, bei der Nordischen Purpurschnecke Nucella lapillus schlüpfen fixfertige Junge aus an den Felsen festgeklebten Eiern. Und Schleimfische brüten in engen Felsspalten an der Luft!
Auch die festsitzenden Seepocken der Bretagne durchlaufen zunächst ein Stadium als Planktontier (die bräunlichen Spindeln sind die Cyprislarven der Seepocken).
Man kann das Plankton in mehrere Kategorien aufteilen. Handelt es sich um tierische Lebewesen, sprechen wir vom Zooplankton, besteht das Plankton aus "Algen", dann bezeichnet man es als Phytoplankton. Und Bacterioplankton haben wir vor uns, wenn es aus Bakterien besteht.
Megaplankton | >5 mm | Grosse Quallen, Staatsquallen, Salpen |
Makroplankton | 1–5 mm | Krill, Pfeilwürmer |
Mesoplankton | 500–1000 μm | Copepoden, Larven, Hydromedusen |
Mikroplankton | 50–500 μm | Ciliaten, Diatomeen, Dinoflagellaten |
Nanoplankton | 5–50 μm | Kleine phototrophische Flagellaten |
Ultraplankton | <5 μm | Bakterien, Cyanophyten |
Picoplankton | 0,2–2 μm | Bakterien, Cyanophyten |
Femtoplankton | 0,02–0,2 μm | Viren |
Planktonlebewesen sind so gebaut, dass sie mit der Dichte und der Zähigkeit des Wassers zurecht kommen. Sie sollen nicht unkontrolliert in die Tiefe sinken, denn dort gibt es weder Licht noch Nahrung. Ihre Dichte ist allerdings immer leicht grösser als 1.024g/cm3, die Planktonten sinken im Wasser ganz langsam ab. Sie widerstehen dem Absinken durch Aufwärtsbewegungen. Nach dem Stokesschen Gesetz sinken kleine Körper aber langsamer ab als grössere gleicher Form.
Um nicht in ökologisch ungünstige Tiefen abzusinken, verringern die Planktonten die Sinkgeschwindigkeit: Entweder sie sind sehr klein, oder sie sind abgeflacht oder starkt gestreckt, haben lange Borsten und/oder andere spezielle Schwebefortsätze. Manchmal verhindern sie das Absinken auch durch Bänder- und Kettenbildung von aneinandergelagerter Individuen.
Manche Meerestiere vermindern ihr Übergewicht durch Einlagerung von Luft oder Gasen, Fetten oder Ölen, durch Kalkreduktion in Skeletten, Schalenrückbildungen, Aufbau von Gallerten, Erhöhung des Wassergehalts oder Austausch schwerer gegen leichte Ionen.
Transparenz ist eine Schutztracht; Planktonten sind oft nur schwer im Blau des Meeres zu sehen, wenn ihr Körper durchsichtig oder zumindest farblos ist.
Einige Algen und viele Zooplankter führen Vertikalwanderungen durch, die von Licht und Temperatur ausgelöst werden. Es gibt tagesperiodische Wanderungen und altersabhängige Wanderungen, wie z.B. viele Ruderfusskrebse (Copepoda), die als Jungtiere in den Oberflächenschichten, adult aber in grösseren Tiefen leben.
Die Gründe für die Tag-Nacht-Wanderungen, bei denen viele Arten in der Abenddämmerung zur Oberfläche wandern und in den Morgenstunden mit zunehmendem Licht wieder absinken, sind nicht immer ganz klar. Einige Arten können offenbar ein Übermass an Licht nicht vertragen, andere meiden bei Tag aktive Räuber. Phytoplanktonfresser nehmen nachts an der Oberfläche Nahrung auf und reichern am Tag durch ihre Stoffwechselausscheidungen tiefere Wasserschichten mit Nährstoffen an. Da die Oberflächen- und Tiefenströme ungleich verlaufen, gelangen die Tiere in der nächsten Nacht selten oder nie in den gleichen Wasserkörper. Dadurch wird die Ausbreitung einer Art gefördert.
Die Mehrzahl der Meerestiere produziert planktonische Larven, die für Wochen oder Monate als Plankton im Meer treiben. Es gibt einen nicht-obligaten Zusammenhang zwischen Eigrösse und Lebenszyklus: Arten mit Eiern, die kleiner sind als 150-180 Mikrometer zeigen in der Regel eine planktonische Larvenphase.
Viele benthische Arten (Arten des Meeresgrundes) zeigen einen zweiteiligen Lebenszyklus mit pelagischem Larvenstadium und mit morphologisch grossen Unterschieden zum Erwachsenenstadium.
Eine einzelne Amerikanische Auster (Crassostrea viginica) verbreitet 15-115 Millionen Eier. Der Seestern Asterias rubens entlässt pro Saison 2.5 Millionen Eier oder 200 Millionen Spermatozoen.
Die Befruchtungsrate der küstennahen Benthosbewohner ist aufgrund ausgeklügelten Verhaltens (vor allem gute zeitliche und räumliche Synchronisation der Sexualität) erstaunlich hoch.
Die Mortalität des Meroplanktons ist jedoch ebenfalls sehr hoch: Falsches Futterangebot, Temperatur, Transport ins offene Meer, Unfähigkeit ein passendes Siedelungsgebiet zu finden oder Prädation sind die häufigsten Todesursachen.
Die Prädation ist wohl der grösste Sterblichkeits-Faktor. Planktonische Prädatoren gibt es nämlich unzählige: Quallen, Krebs- und andere Wirbellosenlarven, Fische und Fischlarven, benthische Prädatoren. Hier spielen vor allem grosse Ansammlungen von Filtrierern wie Muschelbänke, Korallenriffe, Seescheiden oder Seepocken eine grosse Rolle. Eine einzige Miesmuschel kann 100’000 Larven aus dem Wasser filtrieren. Täglich.
Arten, deren gesamtes Leben - von der Eizelle bis zum geschlechtsreifen Individuum - sich planktonisch vollzieht, gibt es nicht sehr viele. Vor allem sind dies die einzelligen Kieselalgen, Radiolarien, Dinoflagellaten und Foraminiferen, aber auch Flohkrebse (Amphipoden), Krill, Ruderfusskrebse (Copepoden) und Salpen sowie Pfeilwürmer (Chaetognatha), Salpen (Thaliacea) und ganz wenige Arten von Hochseeschnecken.
Die meisten Organismen des Planktons werden von Zooplankton gefressen, von tierischem Plankton also. Es gibt aber auch grosse Organismen im Meer, die sich direkt am Plankton bedienen: Bartenwale fressen in riesigen Schwärmen lebende Garnelen, den Krill, Quallen ernähren sich von Zooplankton. Auch viele festsitzende Lebewesen wie Korallen oder Schwämme leben von Plankton. So steht Plankton oft am Anfang der Nahrungskette.
Wenn Planktonorganismen nicht gefressen werden, sondern sterben, sinken sie aufgrund ihrer leicht höheren Dichte (bezogen aufs Meerwasser) dem Meeresgrund entgegen. Man nennt dies auch Marine Snow. Damit gelangt viel Kohlenstoff auf den Meeresgrund, wo er für lange Zeit lagert und nicht mehr als CO2 in die Atmosphäre gelangen kann. Für den Klimawandel ist dieser Prozess enorm wichtig.
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