Mit Superlativen muss man vorsichtig sein. Aber bei diesem Superkleber passt es...
Napfschnecken sitzen nicht bloss durch Unterdruck bombenfest am Felsen, sie produzieren einen geniales Kleber!
Die unscheinbaren «Hütchen», die auf den Felsen der Brandungszone sitzen, sind Napfschnecken. Ihre Kalkschale ist konisch und sehr robust, damit Gezeiten, Brandung und auch rollender Kies ihnen nichts anhaben können. Napfschecken halten sich mit einem eingebauten «Saugnapf» am Untergrund fest und können ihre Schale komplett abdichten. So trocknen sie nicht aus, und so kleben sie bombenfest am Felsen. Wer versucht, sie zu lösen, scheitert praktisch immer, falls der erste Versuch misslungen ist. Bei Störungen saugt sich die Napfschnecke nämlich nur noch stärker fest. Dann hält sie super stark am Untergrund. Der muskulöse Schneckenfuss ist für die Saugwirkung verantwortlich. So jedenfalls vermutete man dies über Jahrhunderte...
Nun weiss man es genauer – ein Superkleber macht es möglich
Die Napfschnecken halten sich nicht mit Vakuum fest, sie kleben sich an den Untergrund! Und zwar mit einem Bio-Superkleber, der zu 90 Prozent aus Wasser besteht und eine reversible Klebkraft hat. Unglaublich… Wie funktioniert das?
Ein Superkleber aus 90% Wasser
Unterwasserkleber sind im Meer erstaunlich weit verbreitet: Seepocken zementieren sich mit Klebstoffen an die Brandungsfelsen, Austern verkleben sich damit mit dem Untergrund, Seesterne und Seeigel wandern mithilfe von Klebern über den Meeresboden, indem ihre vielen hundert Füsschen sich kurz ankleben und gleich wieder lösen können. Schleimfische kleben ihre Eier an nasse Felsen. Diese Klebstoffe sind meist biologische Schleime, sogenannte Hydrogele. Verschiedene komplexe Zuckerarten und spezielle Proteine binden das Wasser blitzschnell und sehr fest. So entsteht eine Art biologischer Sekundenkleber.
Gut sieht man hier den Fuss der Napfschnecke, den Schalenrand, der ein Negativ-Abdruck des Untergrunds darstellt, sowie den Mantelrand, der perfekt abdichtet. Rechts ragt der Kopf mit Mund und den zwei schönen Fühlern aus der Mantelhöhle.
Die Hydrogele sind von Art zu Art und von Funktion zu Funktion verschieden. Bisher sind rund 170 solcher Zucker und Proteine gefunden und untersucht worden. Die BioSuperkleber – man nennt sie marine Bioadhäsive – funktionieren absolut zuverlässig auf nassem, schmutzigem und trockenem Untergrund, und die Materialien funktionieren auch bei veränderlichen Milieus! Künstliche Klebstoffe versagen hier praktisch alle jämmerlich. Ausserdem sind die Biokleber ungiftig, wasserfest und biologisch abbaubar.
Auf unbewachsenen Felsabschnitten klebt sich's am besten!
Napfschnecken haben einen eingebauten Gezeitenrhythmus: Bei Ebbe kapseln sie sich auf den Felsen ein. Bei Flut hingegen unternehmen sie Wanderungen, um mit ihren scharfen Zähnen Biofilme – mikrobielle Schleime und Algen – abzuweiden. Während dieser Wanderungen haften die Napfschnecken mit einem relativ schwachen Kriechschleim am Untergrund. Bei starkem Wellengang muss die Haftkraft verstärkt werden, mit Sekundenkleber. Sie hat also unterschiedliche Ansprüche an die Haftkraft ihres Klebeschleims. Wie die Napfschnecke den Kleber so schnell herstellen und ebenso schnell wieder auflösen kann, ist leider noch nicht aufgeklärt.
Das härteste bekannte Material ist Diamant. Das härteste bekannte Bio-Material – das in einem Lebewesen vorkommt – findet sich in den Zähnen der Napfschnecke.
Ihre Zähne sind zugfester als Stahl und um ein Vielfaches stabiler als die bisherige Rekordhalterin, die Spinnenseide!
Die Zähne der Napfschnecke sind nur rund 100 Mikrometer gross, ein Zehntel eines Millimeters. Sie gehören zum Raspelorgan der Schnecken, der Radula, mit der die Tiere Algen und Bakterienfilme von Felsoberflächen abweiden. Die winzigen Zähnchen sind erstaunlich elastisch und gleichzeitig etwa gleich hart wie menschlicher Zahnschmelz, und deshalb viel reissfester. Sie sind damit wohl die härtesten Zähne der Welt.
Die härtesten Zähne der Welt
Verantwortlich für die enorme Widerstandskraft der Zähne ist deren Aufbau aus winzigen Nadeln des Eisenminerals Goethit. Die Nadeln wiederum sind in einer Proteinmasse eingebettet, was wohl ähnlich wirkt wie eine Glasfaserverstärkung.
Spinnenseide hingegen besteht aus Proteinen und enthält keine anorganischen, mineralischen Anteile. Naja, geschmeidig sein ist auch gut…
9 Kommentare
Herzlichen Dank für die interessanten Informationen. Es ist erstaunlich und überraschend was die Natur kann, resp. aus jahrelanger Erfahrung bietet. Wir können sicher davon lernen, nach dem Motto versuchen bis es geht!
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